Sonntag, 16. Juni 2024,                    17.00 Uhr Alte Schule - Saal

Winterreisen

Nikolaus Ruegg - Tenor

Predrag Tomic – Akkordeon

Werke von F. Schubert, M. Heep …

 

 

Foto: W.Kösters

P.Tomic - Akkordeon

M.Heep - Komponist

N.Ruegg - Tenor

 

Efringen-Kirchen

Kleine Revolte gegen die Hörgewohnheiten

Jürgen Scharf 17.06.2024 - 16:49 Uhr

 

Schuberts „Winterreise“ wird bei den Kammerkonzerten in Efringen-Kirchen mit neuen Liedern des Lörracher Komponisten Matthias Heep kombiniert.      

 

Das war einmal nicht die übliche Lied-Konfektion, sondern eine Auseinandersetzung mit einem der größten Liederzyklen überhaupt, dem der neue Liederkreis von Matthias Heep gegenübergestellt wurde.

 

Heep hat die Texte aus dem Lyrikband „längst fällige Verwilderung“ der jungen Schweizer Autorin Simone Lappert – die auch Präsidentin des Lyrikfestivals Basel ist – eigens für diese „Winterreisen“-Produktion vertont. Das Auffälligste: In beiden Textfolgen, denen von Wilhelm Müller bei Schubert und denen von Lappert, geht es um das Scheitern, um Entfremdung, den Winter in der eigenen Seele, um die Themenkreise Sehnsucht, Verlassenheit, Weltschmerz, aber auch um morbide Gedanken – also eine ähnliche Grundhaltung. Bei Lappert ist das nicht ohne Ironie und Sarkasmus, wenn sie das Selbstmitleid aufs Korn nimmt. Etwa in den vom Sänger halbszenisch eingeworfenen aphoristischen Zwischenrufen: „Entschuldigung, wo kann ich hier ungestört scheitern?“

 

Ländlertonfall

Der Lörracher Komponist hat für seine Vertonungen eine Tonsprache gesucht, die sich nicht provokativ von Schuberts Musik abheben will, wie er im Begleitheft schreibt. Und so hört man oft Klänge, die an die Spätromantik erinnern, auch manchmal einen Ländlertonfall.

Dass die Schubert- und Heep-Lieder im Wechsel vorgetragen werden, machte diesen Liederabend zum Abschluss der Saison im Musiksaal der Alten Schule spannend und kontrastreich.

 

Anregung zum Nachdenken

Wenn man Schubert nicht puristisch sieht, war diese ungewohnte Dramaturgie sogar eine kleine Revolte gegen die Hörgewohnheit und regte zum Nachdenken und Hinterfragen an. Klanglich dringt Heep tief in die Lyrik der Zürcher Dichterin ein, mit einer sehr bildhaft ausgedeuteten musikalischen Sprache, die atmosphärisch mit interessanten Klangfarben die Stimmungen aufgreift und die expressiven, skurrilen, lustigen und tiefsinnigen Verse ebenso bewegend und emotional mit einem am Wort orientierten Stil umsetzt. Heep lässt sich vom Wort leiten, bis hin zu Sprechgesang. In seinen Kompositionen erhält Lapperts witzige Sprachvirtuosität eine illustrierende musikalische Gegenstimme. Wenn in ihren Gedichten nachts der Mond siliziumhell leuchtet, in dem Liebeskummergedicht „im Ferienhaus“ die Ich-Erzählerin den Mond hasst und die „frage“ ist, wie man ohne Zukunft durch den Winter kommt, dann findet das eine eindrückliche Entsprechung in Heeps Klangwelt.

 

Komponist ist anwesend

Dazu kam beim Konzert in Anwesenheit des Komponisten, dass sich die beiden Uraufführungsinterpreten, der Tenor Nikolaus Rüegg und der Akkordeonist Predrac Tomić, in den Aggregatzustand sowohl Schuberts als auch Heeps versetzen konnten. Rüegg modelliert so poetisch wie stimmkräftig die lyrischen Weltsichten mit der klangfarbig timbrierten Akkordeonbegleitung. Beide Interpreten verwirklichten die Intentionen der fast 200 Jahre auseinander liegenden Kompositionen, indem sie sich intelligent in den Dienst der Aussagen stellt. Das Akkordinstrument „orchestrierte“ dabei die Inhalte der Lieder in einem großen Klangspektrum, was ihnen den Anklang des Populären und den Gestus der Wanderschaft gab. Tomićs Spiel auf dem „singenden“ Instrument trug viel zur Dramatik der Vertonungen bei.

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